Ein letzter, stiller Glanz
Nicht weit von Ryd, im südlichen Småland, liegt ein Autofriedhof mitten im Wald. Rund 150 Autowracks rosten hier vor sich hin und werden langsam von der Natur überwuchert. Ein bizarrer Ort, der auch Touristen anlockt.
Mitten im Wald
Ich fahre auf der Landstrasse 119 Richtung Ryd, ein kleiner Ort südlich des Sees Åsnen. Mitten im Wald, kurz vor Ryd, plötzlich ein Schild: «Bilkyrkogård», ich halte auf dem kleinen Parkplatz an. Habe ich richtig gelesen, ein Autofriedhof – hier im Wald?
Bilkyrkogård
Vom Parkplatz führt ein Waldweg schnurgerade in den Wald hinein. Ich folge ihm und nach den ersten paar Meter sehe ich schon die ersten Autowracks. Und danach werden es immer wie mehr, sie säumen links und rechts den Weg. Man sieht, dass sie schon viele Jahrzehnte hier liegen. Moose und kleine Gebüsche überwuchern sie, die Natur holt sich ihren Platz wieder zurück. Es herrscht eine friedliche, fast besinnliche Stimmung und über diesem Ort schwebt eine andächtige Mystik. Was haben die Autos erlebt, was hat sie hier hergebracht und wieso sind sie immer noch hier? Nebst den Schrottautos haben auch Fahrräder, Mopeds und Reifen hier ihre Ruhestätte gefunden. Jedes Objekt lässt einen Blick in Vergessenes werfen, erzählt von der letzten Reise und erinnert an Bekanntes und Unbekanntes.
Åke vom Moor
Die Geschichte über den Gründer dieses besonderen Ortes muss unbedingt in Erinnerung bleiben: Åke, genannt «Åke vom Moor» wurde 1914 in der Siedlung Tröjemåla geboren. Er arbeitete nach der Schulzeit in den südschwedischen Provinzen Skåne und Småland als Knecht. 1935 kaufte er dann das Torfmoor «Kyrkö mosse» und einen Spaten mit breitem Blatt. Mit Torfmull liess sich Geld verdienen und Torf war hier das, was es in grossem Masse gab. Der Torf wurde dann vom Vieh im Stall «angereichert» und das Endprodukt war ein nachgefragtes Düngemittel. Technisch geschickt, wie Åke war, baute er eine Torffabrik. Die Torfreisser wurden mit alten Automotoren angetrieben. Daneben errichtete er eine einfache Hütte, die mit Torf isoliert war und die trotz ihrer bescheidenen 12 m2 ihm allen benötigten Platz bot.
Ein Pionier der Wiederverwertung
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Leben einfacher und in den 1950er-Jahren galt bereits das Auto als das «Eigentum des kleinen Mannes». Viele dieser neuen Autos wurden jedoch, als sie nicht mehr fuhren, einfach am nächsten Waldweg stehen gelassen. Åke erkannte hier eine Chance und sammelte sie ein. Er war schon bald ein Experte für die Ersatzteile, die er von seinem Sammelplatz aus verkaufte. So wurde er so zu sagen ein Pionier der Wiederverwertung. Übrig blieben die räderlosen Karosserien. 1974 kaufte Åke das letzte Schrottauto. Das Lager war voll mit Ersatzteilen, die er noch viele weitere Jahre lang verkaufte. 1992 zog Åke ins Altersheim von Ryd und sein Autofriedhof wurde Gegenstand zahlreicher Debatten. 2001 beschloss die Kommune, dass die Autowracks verbleiben dürfen und dass die Natur den Ort zurückerobern soll! Der Autofriedhof wurde mit einem sich selbst zerstörenden Bild verglichen.
Ein letzter Glanz
Die Autowracks sind rostig und werden von der Natur Jahr für Jahr mehr überwuchert, aber trotzdem haben sie noch immer irgendwo etwas Glanz. Die durch die Bäume scheinende Sonne lässt die paar noch vorhandenen Chromstahlteile glänzen und dem aufmerksamen und interessierten Besucher entgehen diese kleinen Blitzer nicht – oder sind es gar Augenzwinker von Åke?
Text und Bilder: Christian Weidmann
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